Wasserstoffwirtschaft als Lösung?

Letzte Überarbeitung: 05.08.2024

Der grüne Plan sieht nach meiner unmaßgeblichen Meinung wie folgt aus:

  • Wir verbieten alle Autos mit Verbrennungsmotor: Check, schon erledigt.
  • Wir schalten alle AKWs ab: Check, schon erledigt.
  • Wir schalten alle Kohlekraftwerke ab: Der noch unkonkrete Zeitplan steht schon.
  • Wir schalten alle Kraftwerke, die mit Erdöl betrieben werden ab: Die Detailplanung erfolgt in der nächsten Legislaturperiode.
  • Wir schalten alle Gaskraftwerke ab: Die Detailplanung erfolgt in der nächsten Legislaturperiode.
  • Wir verbieten alle LKWs, Flugzeuge, Schiffe und Züge mit Verbrennungsmotor: Die Detailplanung erfolgt in der nächsten Legislaturperiode.
  • Wir verbieten der Industrie die Verwendung von fossilen Brennstoffen: Die Detailplanung erfolgt in der nächsten Legislaturperiode.

Danach wird die Welt CO2-frei sein.



Halt, ich vergaß, dass Deutschland im Jahr 2022 einen Anteil von 1,7% hatte und China 32,9%, also das knapp 20-fache, Tendenz steigend zugunsten von China.

Deutschlands hellste Köpfe wollen langfristig – auf jeden Fall vor dem Jahr 2100 – ca. 2100 Terawattstunden Endenergieverbrauch (2368 TWh minus 250 TWh, die bereits über EE erzeugt werden) durch grünen Wasserstoff, also über Sonne und Wind erzeugten Wasserstoff, ersetzen.

Ich nenne zunächst einmal ein paar Wirkungsgrade:

Wasserstoff: 70%
Wasserstoff wird über Elektrolyse (a. Alkalische Elektrolyse, b. PEM-Elektrolyse oder c. Hochtemperatur-Elektrolyse) aus Süßwasser erzeugt (Stichwort Power-to-Gas). Man braucht also Strom und Süßwasser am Ort des Geschehens. Laut TÜV Süd soll die Hochtemperatur-Elektrolyse, die sich noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet, einen Wirkungsgrad bis zu 90% ermöglichen.

Methan: 54%
Die Methanerzeugung aus Strom fällt ebenfalls unter Power-to-Gas (PtG oder P2G) mit dem genannten Wirkungsgrad. Laut ESKP wurden in der Versuchsanlage HELMETH schon Wirkungsgrade zwischen 76% und 80% erreicht.

Ammoniak: 46%
Der Wirkungsgrad der Wasserstoff-Herstellung (70%) multipliziert sich mit dem Wirkungsgrad des Haber-Bosch-Verfahrens (50% bis 80% => 65% Durchschnitt; 0,70 * 0,65 = 45,5%) zur Ammoniak-Herstellung. Da Ammoniak ein Gas ist, fällt es ebenfalls unter die Power-to-Gas Technologie, sofern es über Strom hergestellt wird.

Power-to-Liquid: unter: 50%
Analog zu den Power-to-Gas Technologien gibt es auch schon Power-to-Liquid (PtL oder P2L) Verfahren. Beispiele dafür sind Alkohol wie Methanol, Ethanol, Propanol und Butanol. Aber es gibt auch andere Wasserstoffträger wie z.B. Dibenzyltoluol DBT. Übrigens wird Ammoniak auch häufig den Power-to-Liquid Stoffen zugeordnet, weil man das Ammoniak schon bei einem relativ moderaten Druck von 10 Bar verflüssigen kann.

E-Fuels: 25%:
Für synthetische Kraftstoffe wurden die Begriffe E-Fuel oder Power-to-Fuel (PtF oder P2F) erfunden. Die angegebenen Wirkungsgrade streuen noch gewaltig (10% bis 35%). Sie werden mit Strom aus Süßwasser (=> Wasserstoff) und CO2 hergestellt. Man kann über diese Verfahren z.B. Benzin, Diesel und Kerosin herstellen.

Alle oben angegebenen Wirkungsgrade sind nicht zuverlässig. Sie unterscheiden sich von Quelle zu Quelle. Häufig sind stattliche Bereiche anstatt eines festen Werts angegeben und außerdem gibt es laufende Forschungen zur Verbesserung der Wirkungsgrade. Was man aber sagen kann, ist, dass die Wasserstoff-Herstellung den besten Wirkungsgrad hat, weil alle Weiterverarbeitungsverfahren den Wasserstoff als Basis verwenden. Daher ist der Wasserstoff das vorgesehene Wundermittel zur Rettung des Wohlstands der Menschheit, wobei ich große Zweifel daran habe, dass den politischen Akteuren mein Wohlstand am Herzen liegt. Wohl eher ihr Machterhalt.

Im Jahr 2019 (ich habe keinen neueren Wert gefunden) wurden weltweit 117 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert. Scheinbar wurde keine einzige Tonne des Wasserstoffs davon mit Strom erzeugt, sondern aus Erdgas (69 Megatonnen) oder als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen (48 Megatonnen). Ein Kilogramm Wasserstoff hat einen Energieinhalt von 33,3 KWh. Unter der Annahme eines Wirkungsgrads von 100% bei der Umwandlung in Strom ergäbe das eine Endenergie von knapp 4 Terawattstunden (117 * 10 hoch 6 * 33,3 * 10 hoch 3 = 3896 * 10 hoch 9 = 3,896 * 10 hoch 12). Das sind 0,185% des deutschen Jahresbedarfs an Endenergie in Höhe von 2100 Terawattstunden. Hier kann man nun zu Recht einwenden, dass die Wasserstoffproduktion im großen Stil noch gar nicht begonnen hat. Ich lasse den Einwand an dieser Stelle gelten.

Wasserstoff hat aber ein paar unangenehme Seiten, die seine Verwendung im ganz großen Stil eher unwahrscheinlich machen. Daher wird es nach meiner Meinung vermutlich auf einen der oben aufgeführten Ersatzstoffe mit schlechterem Wirkungsgrad hinauslaufen. Hier eine kurze Aufzählung der unerwünschten Eigenschaften von Wasserstoff.

  • Wasserstoff ist extrem leicht (das leichteste Element im Universum). Daher setzt man ihn unter hohen Druck, um ihn schwerer zu machen. Trotzdem ist sein Transport per Schiff enorm unwirtschaftlich (Nettogewicht und Bruttogewicht des Schiffs fast identisch wegen minimaler Wasserstoff-Zuladung).
  • Hoher Druck führt zu hoher Explosivität.
  • Wenn Wasserstoff an die Luft kommt, entsteht Knallgas (Hindenburg).
  • Wasserstoff ist sehr reaktionsfähig. Das führt zu relativ hohen Verlusten während des Transports, aber auch bei der anschließenden Lagerung bis zum Verbrauch. Man muss Wasserstoff daher sehr schnell verbrauchen.
  • Wasserstoff diffundiert durch viele Materialien. Das führt zu Verlusten und erhöht die Sprödigkeit vieler Metalle.
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Zum Schluss nun einige Artikel, welche die negativen Eigenschaften von Wasserstoff bzw. ein paar Randbedingungen einer künftigen Wasserstoffwirtschaft beschreiben:

19. Energiewende: Planlose Ampel-Regierung vor Wasserstoff-Fiasko? (25.07.2024)
18. Wasserstoff-Kolonialismus in Südwest? (27.06.2024)
17. IST DIE WASSERSTOFF-TECHNOLOGIE WIRKLICH DIE KÜNFTIGE LÖSUNG ALLER ENERGIEPROBLEME ? (29.05.2024)
16. Mit Zahlen belegt: Wasserstoffwirtschaft wird es nicht geben – Teil 3 (03.05.2024)
15. Mit Zahlen belegt: Wasserstoffwirtschaft wird es nicht geben – Teil 2 (29.04.2024)
14. Mit Zahlen belegt: Wasserstoffwirtschaft wird es nicht geben – Teil 1 (24.04.2024)
13. Die Mär vom Grünen Wasserstoff (01.04.2024)
12. Vattenfall beendet Wasserstoff Produktion mit Offshore Wind – verzerrte Wahrnehmung in Konzernmedien (15.03.2024)
11. So steht’s um die Zukunft von Wasserstoffautos (16.02.2024)
10. Ein Transportproblem (21.01.2024)
9. Viele offene Fragen zu einer globalen Energieversorgung auf der Grundlage von Wasserstoff (12.11.2023)
8. Lufthansa: Umstellung auf grünes Kerosin bräuchte Hälfte des deutschen Stroms (26.09.2023)
7. Grüner Wasserstoff und grünes Ammoniak im Verbund: Der Paso Doble in den Abgrund (14.09.2023)
6. Todesanzeige: Unser grüner Wasserstoff (29.08.2023)
5. Der Transport von Wasserstoff aus Australien ist möglich. Aber… (05.04.2023)
4. Grüner Wasserstoff ist eine Schimäre (28.03.2023)
3. Krieg, Wasserstoff, Ammoniak und das Haber-Bosch-Verfahren (16.01.2023)
2. Der Wasserstoff aus der Wüste – Technisches Wissen anstelle von Wunderglauben (22.12.2022)
1. Rettung durch die „Grüne Wasserstoffwirtschaft“? (20.07.2020)

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